Frühjahrssynode 2022: Landesstellenplan, Haushalt und Missbrauch
erschienen im Traunsteiner Tagblatt vom 06.04.2022, Redakteurin: Pia Mix
Traunreut. Die Frühjahrssynode des Evangelischen Dekanats Traunstein konnte dieses Jahr wieder in Präsenz im Saal des Wilhelm-Löhe-Heims durchgeführt werden, wenn auch einige Teilnehmer aufgrund von Quarantäne-Maßnahmen nicht anwesend waren. In den Berichten der Synode ging es um den Landesstellenplan, den Haushalt 2022 und Themen der kürzlich abgehaltenen Landessynode.
Dekan Peter Bertram eröffnete die Synode mit einem Friedensgebet und gab bekannt, dass der Dekanatsausschuss beschlossen hat, als Unterstützung der Kirchen in Mittel-Osteuropa sowie der Diakonie bei der Hilfe für Menschen in und aus der Ukraine 10000 Euro zu spenden. Nach wie vor habe auch die Coronalage Auswirkungen auf die Arbeit in den Kirchengemeinden, die psychosozialen Belastungen hätten stark zugenommen, was sich auch in der Telefonseelsorge spiegele.
Der Dekan ging in seinem Bericht auf die Landesstellenplanung ein, den Prozess von Kürzungen und Stellenumverteilungen, um für die kommenden Jahre gut aufgestellt zu sein. Laut Beschluss der Landessynode soll die Kapazität im Dekanatsbezirk Traunstein um 3,25 Stellen abgebaut werden. „Im bayerischen Vergleich sind wir noch moderat weggekommen“, so Dekan Bertram. Erst einmal müssten allerdings die Stellen auch mit Personen gefüllt werden können. Es herrsche ein großer Fachkräftemangel und „was nutzt der tollste Stellenplan, wenn wir die Posten nicht besetzen können“. Peter Bertram ging auf den Prozess der Landesstellenplanung in den vergangenen Jahren und Monaten ein. Seit der letzten Synode im Herbst wurden alle Kirchengemeinden konkret darüber informiert, welche Änderungen bei ihnen angedacht sind. Sie hatten zwischenzeitlich die Möglichkeit, auf die Überlegungen zu reagieren. Unter den Rückmeldungen seien viele wertvolle Hinweise gewesen, die nun ausgewertet werden müssen. Nach neuerlicher Abstimmung mit der Dekanatsjugendkammer, den Hauptamtlichen und Kirchengemeinden falle der finale Beschluss zur Verteilung im Dekanatsausschuss. Danach folge die sukzessive Umsetzung der Stellenveränderungen, die wichtige Personalsuche vor allem für den Bereich Jugend und Kirchenmusik und eine Anpassung der Dienstordnungen.
Der Dekan gab Termine im Jahr 2022 im Dekanat bekannt. Die Einweihung der Friedenskirche Burghausen mit Regionalbischof Kopp findet am 24. April statt. Zum Diakoniesonntag am 9. Oktober kommt Pfarrerin Barbara Hauck, Leiterin der Nürnberger Cityseelsorge und Beratungsstelle „Offene Tür“. Die Herbstsynode ist für 19. November geplant. 2023 steht dann ein Jubiläum an: es gilt 75 Jahre Dekanat und Diakonisches Werk Traunstein zu feiern.
Über die kürzlich durchgeführte Landessynode informierte Dekan Robert Münderlein. Die Landessynode habe zugestimmt, dass zehn Millionen Euro für Flüchtlinge des Ukraine Krieges gespendet werden. Zwei Millionen davon sollen an Partnerkirchen in der Ukraine gehen für Hilfe vor Ort. Sieben bis acht Millionen in die Kirchengemeinden zur Unterstützung der Flüchtlinge, die zu uns kommen. Bei der Landessynode ist Bischof Schwarz aus der Ukraine zugeschaltet gewesen. Er fordert humanitäre Hilfe für das Land aber auch Waffen für die Verteidigung. Es werde auf jeden Fall langfristige Hilfe notwendig sein, „es geht hier um Jahre“, so der Bischof laut Dekan Münderlein.
Richard Graßl gab den Haushaltsplan 2022 des Dekanats Traunstein bekannt. Im „ordentlichen Haushalt“ sind Einnahmen und Ausgaben in Höhe von 656520 Euro vorgesehen. Für den innerkirchlichen Finanzausgleich, der Zuweisungen der Landeskirche an das Dekanat und die Kirchengemeinden im Dekanatsbezirk umfasst, sind Einnahmen und Ausgaben in Höhe von 1,951 Millionen Euro geplant und damit eine leichte Steigerung der Mittel der Landeskirche für die Region.
Im Rahmen der Frühjahrssynode des evangelischen Dekanats sprach auch Kirchenrätin Dr. Barbara Pühl zum Thema „Aktiv gegen Missbrauch“. Sie ist Leiterin der Stabsstelle für Chancengerechtigkeit und Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt. Die Synode am Samstag bildet den Auftakt für die Erstellung entsprechender Präventionskonzepte auf Ebene der Kirchengemeinden, die im Jahr 2022 in Angriff genommen werden soll. Dazu ist auch ein Studientag für Hauptamtliche am 10. Mai mit dem Thema „Prävention von sexualisierter Gewalt“ geplant.
Dr. Barbara Pühl erklärte zu Beginn ihres Vortrages: „Das Thema hat auch was mit dem Krieg gemeinsam. Es geht beide Male um Macht und Gewalt. Der Unterschied ist nur, bei sexualisierter Gewalt ist meist keine Kamera dabei, sie findet im Verborgenen statt.“ Die Auswirkungen für die Betroffenen seien aber nicht weniger gering als für die Kriegsopfer. „Sexualisierte Gewalt passiert überall“, erklärte die Referentin. In der allgemeinen Berichterstattung sei vorwiegend von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche die Rede. Es gebe sie aber auch in der evangelischen, was die Austrittszahlen zeigten, die aktuell so hoch seien wie noch nie. 2019 seien um 22 Prozent mehr Menschen aus der evangelischen Kirche ausgetreten als 2018. 41 Prozent von ihnen gäben als Grund dafür die Missbrauchsfälle an. „Missbrauch ist mit unserer christlichen Botschaft nicht vereinbar“, so Dr. Pühl. Allerdings sei er ein gesamtgesellschaftliches Problem. Sie nannte Zahlen: jedes vierte bis fünfte Mädchen und jeder neunte bis zehnte Bub wird irgendwann Opfer sexualisierter Gewalt. Die Täter sind vorwiegend männlich und 75 Prozent der Fälle finden im engeren Umfeld statt, heißt dort, „wo man sich kennt“.
In der evangelischen Kirche in Bayern sind 166 Missbrauchsfälle amtlich bekannt. 80 Prozent der Betroffenen sind unter 18 Jahren, 50 Prozent unter 14 Jahren. Oft lägen die Fälle weit zurück und erst nach vielen Jahren hätten die Betroffenen die Kraft, darüber zu sprechen. Es passierte zum Teil in der Kirche beim Konfirmandenunterricht, in der Jugendarbeit oder auch im Erwachsenenbereich am Arbeitsplatz, in der Seelsorge.
Was tut nun die Landeskirche? Dr. Pühl erläuterte, dass es seit den 1990er Jahren ein wachsendes Bewusstsein der Problematik gibt. 1999 wurde die Ansprechstelle für Betroffene eingerichtet und seit 2015 gibt es eine Kommission, die über finanzielle Ausgleichsleistungen entscheidet. Sie machte deutlich, dass nicht das Kirchenrecht, sondern das Strafrecht über eine eventuelle Strafe entscheidet, was oft schwierig sei, weil die Taten entweder verjährt sind oder mangels Beweisen eingestellt werden müssen. Den Haupt- und Ehrenamtlichen in den Kirchengemeinden gab sie den guten Rat, auf Augenhöhe mit Betroffenen zu sprechen, sie ernst zu nehmen, aktiv zuzuhören und nachzufragen, ob Hilfe durch entsprechende Stellen hinzugezogen werden kann. „Bleiben sie beim Opfer, holen sie fachlichen Rat ein, treffen sie keine Alleinentscheidungen.“ Man dürfe einfach nicht mehr wegschauen oder gar leugnen, dass so etwas passieren kann.
Noch besser wäre Prävention, „nicht erst reagieren, wenn schon was passiert ist“. Jede Region und Kirchengemeinde brauche daher ein Schutzkonzept. Es müsse vor Ort genau geschaut werden, wo Gefahr von sexualisierter Gewalt besteht und wie man diese verhindern könnte. Eine wichtige Frage sei auch, „wo fängt sexualisierte Gewalt an?“ Es gebe Situationen, die nicht von vornherein eindeutig sind, da auch nicht jeder die gleichen Grenzen für sich empfindet oder Körperkontakt unterschiedlich einschätzt.