Fassungslos, wie mit uns umgegangen wird
Erschienen am 05.07.2022 im Traunsteiner Tagblatt, Text und Bild: P. Mix
Traunreut – In der Mitgliederversammlung des Diakonischen Werks Traunstein berichtete Kurt Schmoll, Fachbereichsleiter Seniorenhilfe, von seinen Erfahrungen in den vergangenen beiden Jahren. Es sei eine schwierige Zeit gewesen und so sei es auch noch jetzt. Schön finde er aber: »Unsere Mitarbeiter haben alles aufgefangen, sodass wir durch ihr großartiges Engagement nicht schließen mussten.«
Kurt Schmoll ist Einrichtungsleiter im Chiemgau-Stift Inzell und Seniorenzentrum Wartberghöhe in Traunstein. Zu Beginn der Pandemie 2020 sei man in der Seniorenhilfe erst einmal fassungslos gewesen, »wie mit uns umgegangen wird«. Viele wichtige Infos gab es in der akuten Phase des ersten Lockdowns nur aus dem Fernsehen oder der Zeitung und nicht von den zuständigen Behörden vor Ort, die selber nichts Genaues wussten. Betretungsverbot, Maskenpflicht, »es war alles ziemlich chaotisch«. Man habe dann in den Einrichtungen selber Sorge getragen, dass das bereits bestehende Hygienekonzept aktualisiert wird.
Und schon stellte sich das nächste Problem: Schutzkleidung war nicht zu bekommen, »der Markt gab einfach nichts her«, berichtete Schmoll. In der Not hätten Mitarbeiter zunächst Masken aus Filtertüten gebastelt, die den PCR-Masken sehr ähnlich waren. Auch die vom Landratsamt groß angekündigte Lieferung war enttäuschend und enthielt lediglich 50 Masken, eine Packung Handschuhe und eine Flasche Desinfektionsmittel für ein Heim mit über 100 Bewohnern. »Also mussten wir uns selber kümmern.«
Bei der ersten Infektionswelle gingen dann gleich mal zehn Mitarbeiter in Quarantäne. Der Betrieb musste trotzdem aufrechterhalten und der Dienst rund um die Uhr teils über Wochen in Unterbesetzung gesichert werden. Auch gab es Kündigungen aufgrund der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Sehr dankbar ist Kurt Schmoll in dieser Situation allen Mitarbeitern, die den Betrieb am Laufen hielten. Dadurch, dass die Gruppen in den Heimen nicht gemischt werden sollten und sich nur auf den jeweiligen Wohnbereich beschränkten, waren auch die Betreuungskräfte gefordert und ihr Aufwand ist eminent gestiegen. »Aber bei uns ist in dieser Zeit niemand vereinsamt«, betonte der Heimleiter.
Ein schönerNebeneffekt der Pandemiezeit sei, dass die Digitalisierung voranschritt und WLAN inzwischen in beiden Häusern überall vorhanden ist. Mit zehn gespendeten »IPads« konnten und können Bewohner Verbindung zu ihren Verwandten aufnehmen. Das war nicht nur in Zeiten des Besuchsverbots nützlich, sondern hilft auch, wenn Angehörige weiter weg leben.
Für Unmut unter dem Personal habe die Entscheidung der Politik gesorgt, den Pflegekräften einen Bonus von 500 Euro zu zahlen. Zu einem Seniorenzentrum gehörten auch viele andere wichtige Mitarbeiter in der Hauswirtschaft, der Küche, der Hausmeister, die Verwaltung. »Die haben nichts bekommen«, bedauerte Schmoll. »In einer Einrichtung sind aber alle beteiligt und sorgen dafür, dass es den Bewohnern gut geht.« Diese Unterscheidung sei ein schlechtes Signal der Politik, findet er.
Schließlich kann mit einem Zuschuss noch der Fuhrpark auf E-Fahrzeuge umgestellt werden. Allerdings verzögert sich die Auslieferung und der Zuschuss läuft im September aus. »Wenn er nicht verlängert wird, müssen wir die Autos wieder abbestellen«, fürchtet Kurt Schmoll, »das ist alles nicht so gut durchdacht«.
Dekan Peter Bertram betonte im Anschluss an die Ausführungen des Bereichsleiters Seniorenhilfe: »Wir brauchen gesellschaftlich eine andere Wahrnehmung dieses Bereichs. Denn viele von uns werden im Alter selber auf Hilfe angewiesen sein und müssen dann gepflegt werden.«