Diakonisches Werk Traunstein: Große Herausforderungen und Appell an die Politik: Soziale Berufe endlich mehr anerkennen

Wirtschaftsprüfer Dieter Pape (Mitte) erhielt für 22 Jahre im Kuratorium der Diakonie das goldene Kronenkreuz, ausgehändigt von Vorstand Andreas Karau (links) und Dekan Peter Bertram.
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erschienen im Traunsteiner Tagblatt am 15.03.2024, Text und Bild: P. Mix

 

Traunreut/Traunstein. Das Diakonische Werk Traunstein ist mit 1228 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie einem Jahresumsatz von rund 70 Millionen Euro einem größeren Unternehmen durchaus vergleichbar. Welche Herausforderungen aktuell und in naher Zukunft auf den Verein zukommen, wurde in der Mitgliederversammlung am Donnerstagabend deutlich.

Geschäftsführer und Vorstandssprecher Andreas Karau betonte in seinem Bericht: „Auf Grundlage unseres christlichen Werteverständnisses wollen wir mit unseren ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitenden gelebte Nächstenliebe zeigen, um Menschen in schwierigen Lebensphasen zu ermutigen, zu begleiten, zu fördern und zu stärken, auf dass sie Hilfe, Wertschätzung und Schutz erleben.“ Die Diakonie Traunstein erlebte in jüngster Vergangenheit einen größeren Umbruch, da langjährige Leitungskräfte in den Ruhestand verabschiedet wurden und die Stellen neu besetzt werden mussten. Dies sei erfreulicherweise sehr gut gelungen. Probleme sieht der Geschäftsführer aber jetzt und in der nahen Zukunft durch den Fachkräftemangel: „Die pflegerische Versorgung insbesondere in ländlichen Gebieten ist zunehmend gefährdet, die Ausgangssituation seit Jahren unverändert. Wir sind mitten in einer akuten Pflegekrise.“ Sein Appell an die politischen Verantwortungsträger lautet daher: „Es wird Zeit, dass soziale Berufe, insbesondere pflegerische sowie Erziehungsberufe, in ihrer existenziellen Bedeutung gesellschaftspolitisch endlich mehr anerkannt werden.“ Zum Jahresmotto führte Andreas Karau aus: „Unsere Kolleginnen und Kollegen in der Diakonie sind für viele Menschen in der Region der Unterschied und ermöglichen in den persönlichen Lebenssituationen und in Krisen vor Ort Begegnungen, Räume, Hoffnungen und Perspektiven, die ohne sie kaum möglich wären.“

Der Vorstandssprecher gab jeweils einen kurzen Bericht über die Fachbereiche ab. Im Bereich Kinder-, Jugend- und Behindertenhilfe ist Mathias Kunz seit Beginn des Jahres neuer Leiter und es gibt eine neue inklusiv, therapeutisch, tiergestützte Wohngruppe für Mädchen ab zwölf in Schlehberg nahe Kirchweidach. Alleinstellungsmerkmal dieser Gruppe sei das Zusammenleben mit vielen Hoftieren und der tiergestützte Ansatz der pädagogischen Arbeit. Im Fachbereich Sozialpsychiatrie gibt es neu „einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber in Bayern“, wenn es um die Einstellung und Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen geht. „Die Ansprechstellen sind genau die Anlaufstellen, die den Dschungel der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben kennen und Arbeitgeber zielsicher zu den richtigen Leistungen manövrieren“, so Andreas Karau.

Im Bereich Schule und Bildung gibt es zwei neue Leitungen, in Traunstein ist Barbara Berger neue Leiterin der Fachakademie, in Mühldorf Kerstin Haider. Zum geplanten Neubau des Wilhelm Löhe Förderzentrums in Traunreut konnte der Geschäftsführer nur berichten, dass die Anträge seit Sommer 2023 bei der Regierung von Oberbayern liegen und man seitdem auf schulaufsichtliche Genehmigung der Planung und auf Förderung nach dem Schulfinanzierungsgesetz wartet. Einen Führungswechsel gab es auch im Bereich Seniorenhilfe, den nun Markus Schneider leitet. In Bad Reichenhall gibt es wieder eine ambulante Versorgung und in Traunstein steht langfristig ein Neubau auf der Wartberghöhe an, da das bestehende Haus nur noch bis 2032 betrieben werden darf. Der Bereich soziale Dienste hat ein breit gefächertes Angebot. Ein Höhepunkt vergangenes Jahr war das Theaterprojekt TAFF (Theaterangebot für Flüchtlinge). Mit Hilfe der Stiftung „Welten verbinden“ entstand für geflüchtete Kinder und Jugendliche das Theaterprojekt „Der Brunnen, der am Abend raunt“. 20 junge Menschen, in der Regel mit traumatischen Erfahrungen aus nahezu zehn unterschiedlichen Nationen, nahmen daran teil.

Für den neu geschaffenen Fachbereich Prävention und Inklusion sprach Stefan Rösler. Zum Bereich gehören die Offene Behindertenarbeit Altötting, die 250 Familien betreut, die Kindergarten- und Schulbegleitung für 150 Kinder, ambulant betreutes Wohnen mit 20 Personen, der heilpädagogische Fachdienst mit Praxis, der über 100 Kinder betreut, und die interdisziplinäre Frühförderung mit 180 betreuten Familien. Ein besonderes Projekt ist dabei „Harlekin“, eine Gruppe für früh und Risikogeborene Kinder.
    
Laut Finanzbericht von Dagmar Palwitz schloss das Jahr 2023 insgesamt mit einem positiven Ergebnis und damit besser als ursprünglich gedacht. Insgesamt wurden rund 70 Millionen Euro umgesetzt, wobei die Rendite bei nur 0,73 Prozent liege. „Es ist ein stetiger Balanceakt zwischen tariflichen Größen und verhandelten Entgeltsätzen und ich rechne damit, dass wir den Gürtel von Jahr zu Jahr enger schnallen müssen“, erklärte Andreas Karau. 2023 gab es eine Steigerung der Kontakte zu Hilfe suchenden Personen von 34821 im Jahr 2022 auf 41805. Auch die Zahl der Mitarbeiter wurde von 1197 im Vorjahr auf 1228 erhöht. Andreas Karau verwies noch auf anstehende Termine. Die Fachakademie Mühldorf feiert 50-Jähriges am 20. Juli und das Sommerfest des Wilhelm Löhe Zentrums ist am 23. Juni.