Religionslehrer sind knapp im evangelisch-lutherischen Dekanat

Ab kommenden Schuljahr tritt neuer „Lehrplan plus“ in Kraft: Fragen und Anliegen der Schüler im MIttelpunkt

Bericht von der Dekanatssynode am 19.11.2016 in Traunreut

Text und Bild: Hans Eder

Traunreut. Die Versorgung mit Religionslehrern ist im evangelisch-lutherischen Dekanatsbezirk Traunstein, der die Landkreise Traunstein, Berchtesgadener Land, Mühldorf und Altötting umfasst, auf Kante genäht, vor allem im nördlichen Bereich. Dies zeigte der Bericht von Gabriela Hofmann, der Leiterin des Schulreferats im Dekanat, auf der Herbstsynode im Wilhelm-Löhe-Zentrum in Traunreut. Und jetzt kommt auf die Lehrkräfte – die kirchlichen wie die staatlichen – eine weitere Herausforderung zu: der sogenannte neue „Lehrplan plus“ auch für die Mittelschule. Diesen stellte die Katechetin Gabriele Zill aus Grabenstätt vor; sie ist Multiplikatorin für die Einführung dieses Lehrplans. Wesentliches Merkmal dieser neuen Konzeption ist die Beteiligung beziehungsweise Mitwirkung der Schüler: „Ausgangspunkt allen Lernens sind die Fragen und Anliegen der Schüler. An der Planung des Unterrichts sollen sie ihrer Entwicklung entsprechend beteiligt werden.“
Der Lehrplan plus ist in Bayern vor vier Jahren für die Grundschule eingeführt worden, ab dem kommenden Jahr ist er verpflichtend für die weiterführenden Schulen. Seine Grundlage ist, wie Gabriele Zill ausführte, das „Konzept der Kompetenzorientierung“, was einen Perspektivenwechsel mit sich bringe: Es werde nun nicht mehr gefragt, welche Inhalte die Schüler wann lernen, sondern was sie am Ende können sollen. In den Blick genommen werden sollen Bibel und Tradition, Mensch und Gesellschaft sowie der Glaube als eine Deutungsoption unter vielen.
Chancen des neuen Lehrplans stecken laut Gabriele Zill in Folgendem: Der Bezug zur Lebenswelt mache die Bedeutung des Glaubens für den Alltag sichtbar, der Lehrplan stärke die Eigenverantwortung und fördere die Selbstständigkeit der Schüler. Zugleich aber beinhalte er auch hohe Herausforderungen vor allem für die Lehrkräfte. Eine davon betreffe die mangelnde Sprachkompetenz vieler Schüler - gerade in Klassen mit vielen Migrantenkindern, „deren Deutschkenntnisse gerade eben für die Bewältigung des Alltags ausreichen“, wie Zill die verbreitete Realität schilderte. Eine weitere Herausforderung bestehe darin, dass aufgrund der Diaspora-Situation im „Flächen-Dekanat“ Traunstein mitunter bis zu fünf Jahrgangsstufen in einer Gruppe unterrichtet werden müssten: In solchen Fällen stelle „eine sinnvolle Planung des Unterrichts gerade unter den Bedingungen des neuen Lehrplans hohe Anforderungen an die theologische und pädagogische Kompetenz der Lehrkräfte“, stellt Zill nüchtern fest.
In jedem Fall sei seitens der Lehrer eine zeitintensive Vorbereitung unerlässlich: auch und nicht zuletzt für eine schriftliche Jahresplanung für jede Lerngruppe, für eine Dokumentation am Jahresschluss, „an welchen Kompetenzen anhand welcher Inhalte mit welcher Intensität gearbeitet wurde“. Und bei einem Wechsel der Lehrkräfte sei eine ausführliche Übergabe erforderlich, damit die an die Gruppe angepassten Lernprozesse sinnvoll fortgeführt werden können. So schloss Referentin Gabriele Zill auch ihren Vortrag mit folgendem Appell an alle, die sich im Religionsunterricht engagieren: „Lassen Sie uns den neuen Lehrplan mit seinen Möglichkeiten und Chancen entdecken, ihn als Arbeitsinstrument wertschätzen und ihn fantasievoll umsetzen – verantwortungsbewusst und in evangelischer Freiheit.“
Dass dies auch heute mit dem bisherigen Lehrplan getan wird, das hob Gabriela Hofmann hervor, die auf Dekanatsebene das Schulreferat leitet. Unter mitunter recht schwierigen Rahmenbedingungen, so stellte sie aus ihrer alltäglichen Erfahrung fest, unterrichten die Religionslehrer „engagiert, motiviert und leidenschaftlich“. Trotzdem sei die Situation längst nicht für alle zufriedenstellend. So gebe es aufgrund der Größe des Dekanats Religionslehrer, die an – im Extrem – sieben Schulen tätig sind und entsprechend viel Zeit auf der Straße verbringen müssen und wegen ihrer geringen Anwesenheitszeiten in den jeweiligen Schulen kaum eingebunden sind. Sie freut sich, dass im nördlichen Bereich des Dekanats durch ein großzügiges Eingreifen der Landeskirche, die zwei Pfarrstellen für den Religionsunterricht aufgestockt hat, der Unterricht weitestgehend abgedeckt ist. Bei einer erneuten Ausschreibung hofft sie, für nächstes Jahr wieder Katecheten zu finden.
Religionslehrer werden dringend gesucht; ein kleiner Hoffnungsschimmer besteht darin, dass die Zahlen derer, die heuer die Ausbildung an der evangelischen Hochschule in Nürnberg begonnen haben, zuletzt deutlich gestiegen sei. Dies bestätigte auch Kirchenrat Jochen Bernhardt von der Abteilung „Personalangelegenheiten von Religionspädagogen und Katechetinnen“ in seinem Referat über die allgemeine Situation des Religionsunterrichts in der evangelischen Landeskirche. Er berichtete von einer Werbeaktion für Religionspädagogen über Plakate, Flyer und nicht zuletzt über Instagram. So seien inzwischen die Anmeldungen bereits gestiegen. Großes Lob spendete Bernhardt den Verantwortlichen im Dekanat: Er entdecke hier, so sagte er, „eine Leidenschaft für den Religionsunterricht, wie es sie in Bayern nicht allenthalben gibt“. Wichtig sei es für Religionslehrer, dass sie die Kinder gern haben: „Dann geht schon vieles leichter.“
Bernhardt ging in seinen Ausführungen darauf ein, dass es durchaus Tendenzen gebe, statt des konfessionellen Religionsunterrichts einen „neutralen Werteunterricht“ einzuführen. Selbst in Deutschland habe eine Umfrage ergeben, dass zwei Drittel der Befragten einen solchen „Werteunterricht“ begrüßen würden. Bernhardt brach aber eine Lanze für den konfessionellen Unterricht; dieser sei mehr als Religionskunde. Der Religionsunterricht biete die Möglichkeit, Erfahrungen mit der Religion zu machen, man könne hier zu einer begründeten Entscheidung finden, ob oder wie ein jeder glaubt, man bekomme ethische Leitplanken vermittelt, und nicht zuletzt könne man sich dabei seiner eigenen Identität bewusst werden und seine Positionen entwickeln. Beispielsweise sollten die Schüler im Religionsunterricht erleben können, dass ihre Würde unabhängig ist von Leistung oder Aussehen.

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Das Thema Religionsunterricht stand im Mittelpunkt der Synode. Dazu referierten, von links, Gabriela Hofmann, Gabriele Zill, Dekan Peter Bertram und Kirchenrat Jochen Bernhardt

In der Diskussion wurde angesprochen, ob nicht statt des konfessionellen ein „christlicher“ Religionsunterricht mehr akzeptiert würde. Diesen gemeinsamen Unterricht gibt es, wenn auch fast nur in Ausnahmefällen. Aber, so hieß es, damit könnte das personelle Problem verringert werden und die Schüler würden mehr von der jeweils anderen Konfession erfahren. Denn die Unterschiede zwischen den Konfessionen spielten in der Praxis kaum eine Rolle, außer vielleicht, wie Bernhardt, in der dritten Jahrgangsstufe, wenn es etwa um die Beichte gehe. In jedem Fall würden neue Modelle durchaus versucht, stellte er in Aussicht.
Von verschiedenen Rednern, auch von Gabriela Hofmann und von Dekan Peter Bertram, wurde die große Offenheit an den Schulen gelobt; die Schulleitungen und Lehrer seien zumeist „sehr verlässliche Begleiter und Gestalter in diesem Puzzle“, zu welchem die Einteilung des Religionsunterrichts an den Schulen mitunter werde. Einzeln gab es aber auch die Kritik, dass an der ein oder anderen Schule eigentlich für Religion vorgesehene Stunden anderweitig genutzt würden.  he